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Debatte zum Grundeinkommen

Im letzten Plenum fand eine Diskussion zum bedingungsloden Grundeinkommen (BGE) statt.

 

Die Diskussion wurde mit zwei Input-Referaten eröffnet, je eines für die pro und eines für die contra-Seite.

Im folgenden werden sowohl die Input-Referate als auch die darauf folgende Diskussion stichwortartig wiedergegeben. Es wird dabei versucht, Argumente nur einmal und nicht doppelt zu nennen.(bp)

Pro-Referat von Jonas Betzendahl

Das bedingungslose Grundeinkommen versuche, eine Antwort auf ein zentrales Problem zu geben, nämlich den Konflikt zwischen einer modernen Industriegesellschaft und einem alten Sozialstaat Der Ansatz sei, alle Sozialversicherungssysteme zusammenzulegen und damit Bürokratiekosten, etc. einzusparen. Vorschläge für die Höhe eines „ernst zu nehmender“ BGE-Konzepte lägen zwischen ca. 1000 € (Netzwerk BGE) und 1500 € (DIE LINKE). Die Höhe des BGE sei nicht absolut festzulegen, sondern vielmehr müsse die Höhe so festgelegt werden, dass vier Kriterien erfüllt seien: 1. Das BGE müsse hoch genug sein, um ein „Kulturminimum“ abzudecken, 2. Das Kulturminimum sei ein Gegenbegriff zum reinen Existenzminimum und umfasse auch z.B. die politische und kulturelle Teilhabe, während das Existenzminimum ja nur das nackte Überleben sichern solle. 3. Es müsse ein individueller Rechtsanspruch auf das BGE bestehen. Das BGE müsse bedingungslos sein, das bedeute insbesondere, das keine Bedarfsprüfungen erfolgen dürften, wie jetzt bei Hartz IV. 4. Es müsse so hoch sein, dass kein Zwang zur Arbeit bestehe das BGE sei bereits mit dem jetzigen Etat für die Sozialversicherungssysteme (laut Wolfgang Schäuble: ca. 12.500 Euro pro Kopf und Jahr) ohne große Schwierigkeiten finanzierbar. Das BGE erhöhe durch Vereinfachung die Transparenz das BGE schaffe eine rundum „gesündere Gesellschaft“ Das BGE verfüge bereits über eine breite Basis an Fürsprechern über Parteigrenzen hinweg (Verweis auf Götz Werner, das Netzwerk BGE, die Partei „DIE LINKE“, die „jungen Grünen“ und als Negativbeispiele die FDP und die CDU)

Contra-Referat von Frank Schwarzer:

In der Diagnose der Probleme sei man sich weitgehend einig. Es herrsche Massenarbeitslosigkeit, Ausgrenzung von Erwerbslosen und gebe keine Chance auf Besserung durch Wachstum. Es bestünden jedoch Zweifel, ob die moderne Industriegesellschaft wirklich so modern sei; die Problemstellungen seien im Wesentlichen die gleichen wie zur Zeit, als die „alten“ Sozialsysteme geschaffen worden seien. Der Zweck der Gesellschaft sei noch immer die Kapitalvermehrung und die Lohnarbeit die Voraussetzung dazu zwei Einstellungen zur Lohnarbeit seien fundamental falsch: Sowohl die Verherrlichung der Lohnarbeit als auch die Ignorierung des Phänomens der Lohnarbeit; letzteres sei den Verfechtern des BGEs vorzuwerfen. Denn durch das BGE werde die Lohnarbeit nicht prinzipiell in Frage gestellt. Die Kosten seien astronomisch: Bei 1000 € BGE und 80 Mio. Bundesbürgern ca. 1 Bio. Euro Kosten im Jahr; das Bruttoinlandsprodukt liege aber nur bei 2 Bio. Euro im Jahr und der Bundeshaushalt lediglich bei 400 Milliarden € im Jahr. Das BGE taste die Machtverhältnisse nicht an denn die Produktionsmittel blieben ja in den Händen der bisherigen Besitzer; das heiße ferner: Es würde von den Machthabern erwartet, freiwillig ihren „Besitz“ für ein BGE abzugeben. Das BGE könne als Ersatz für Kombilöhne missbraucht werden es sei prinzipiell ungerecht, auch Reichen ein BGE zu geben es werde eine „Wir sitzen alle in einem Boot“-Mentalität geschaffen; diese gebe aber die tatsächliche Spaltung der Gesellschaft nicht wieder. Eine bessere Alternative sei z.B. eine Arbeitszeitverkürzung

Diskussionsverlauf (pro und contra gemischt):

Pro: Das BGE bedeute eine Demokratisierung der Produktionsprozesse, denn da kein Arbeitszwang bestünde müssten die Produzenten die Produktionsverhältnisse ändern, um Arbeitskräfte noch zur Arbeit zu motivieren. Dies sei eine „elegantere Art des Klassenkampfes“.

Contra: Das BGE versuche eine „Umverteilung innerhalb der bestehenden Verhältnisse“; dies sei aber nicht zu machen, da man auf eine allgemeine Vernunft vertraue, die nicht vorhanden sei.

Pro: Es sei genug Arbeit für alle da, es wolle sie nur keiner bezahlen das BGE schaffe die Möglichkeit, Arbeit, die nicht finanziell entlohnt werde, auf eine Basis zu stellen; bereits 2001 habe es 96 Milliarden unbezahlte Arbeitsstunden im Jahr gegeben und nur 56 Milliarden bezahlte Arbeitsstunden. Das BGE mache deutlich, dass Arbeit nicht der zentrale Lebensinhalt sei. Das BGE müsse in Kombination mit einem Mindestlohn eingeführt werden, um zu verhindern, dass es als Kombilohn missbraucht würde.

Contra: Arbeitszeitverkürzung bedeute im Kapitalismus weniger Lohn und verschlechtere damit die Situation der Arbeitnehmer.

Pro: Das BGE schaffe die „Freizeit“, um sich politisch überhaupt für grundsätzliche Alternativen und Klassenkampf einzusetzen. Das BGE sei kein Allheilmittel und sicher auch nicht das Ende des Weges.

Contra: Die Kultur des „immer mehr haben-Wollens“ schaffe auch beim BGE einen indirekten Arbeitszwang, weil man um „mehr“ zu haben immer noch auf Arbeit angewiesen sei und von den Arbeitgebern abhängig sei das BGE könne von Produzenten missbraucht werden, indem die Produktpreise erhöht würden (schließlich sei das Geld mit einem BGE ja bei allen da); das sei auch bei Hartz IV zu beobachten gewesen. Machtverhältnisse seien nicht nur wirtschaftlicher Natur;

Pro: in Umfragen hätten z.B. viele Frauen angegeben, sich scheiden zu lassen, hätten sie mit einem BGE die nötige Unabhängigkeit dafür.

Contra: Seit Jahren bestünden Produktionsüberschüsse, es könnte also problemlos ein wesentlicher Teil der Arbeitnehmerschaft in eine „Arbeitslosigkeit“ mit BGE entlassen werden das BGE sichere die Grundbedürfnisse der Benachteiligten in der Gesellschaft und sei daher „tausend mal wichtiger als Klassenkampf“.

Pro: Das BGE sei ein realistisches, mittelfristiges Ziel; man sei es leid, mit der Vision eines Klassenkampfes Verbesserungen für eine ferne Zukunft versprochen zu bekommen; Verbesserungen müssten schnell her und das BGE sei dazu ein adäquates Mittel das BGE dürfe nicht für nationalistische Propaganda missbraucht werden der Kapitalismus könne durch das BGE „friedensfähig“ gehalten werden dadurch, dass das BGE nicht in absoluten Zahlen gemessen werde sondern an einen Warenkorb gekoppelt sei, der den vier Kriterien (siehe pro-Referat) genüge, könne ein Missbrauch durch höhere Produktpreise verhindert werden das BGE sei realistisch: Ein Experiment zum BGE in Namibia sei erfolgreich durchgeführt worden

Contra: Das BGE sei genau so eine soziale Utopie wie andere Utopien auch, habe aber gegenüber anderen Utopien den entscheidenden Nachteil, keine Grundsatzkritik des Kapitalismus zu sein; daher seien „klassische“ Utopien dem BGE vorzuziehen