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Neofaschist als Festredner beim Bielefelder Bismarck Kommers

In einer gemeinsamen Pressemitteilung werten u.a. Jusos, Grüne Jugend, DGB-Jugend, FH-AStA und IBZ Bielefeld den Auftritt des notorischen Neofaschisten Karl-Heinz Kuhlmann als „Festredner“ beim „72. Bismarck-Kommers der Bielefelder Korporationsverbände“ am 9.3.2012 aus:

Neofaschistischer Festredner

Am 09.03.2012 hat im Gemeindehaus der Neustädter Marienkirche der „72. Bismarck-Kommers der Bielefelder Korporationsverbände“ stattgefunden.

Festredner war hier der Theologe Prof. Dr. Karl-Heinz Kuhlmann. Dieser verfügt bekanntermaßen über enge Verbindungen zu mindestens drei neofaschistischen Organisationen:
- Für die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ trat er als Autor und tritt heute noch als eifriger Leserbriefschreiber mit offen rassistischen, antisemitischen und geschichtsrevisionistisch-revanchistischen Thesen auf.
- Dem „Institut für Staatspolitik“ stand er im Frühjahr 2011 als Referent zur Verfügung.
- Für das „Freundschaft- und Hilfswerk Ost e.V.“ ist er u.a. als Schirmherr tätig.

Besonders aus den Leserbriefen an die „Junge Freiheit“ ist Kuhlmanns Geisteshaltung seit Jahren bekannt. In unmissverständlich rassistischer Weise äußerte Kuhlmann sich hier bereits 2007:
„Hier sind endlich Klarstellungen nötig, die bisher leider von deutscher Seite ausgeblieben sind. Man redet da von ausländischen Mitbürgern, als ob jemand, der häufig die Sprache nicht beherrscht, der nicht alle Rechte und Pflichten übernehmen will, ein Mitbürger sein könnte. Gerade die Türken muß man unmißverständlich darauf hinweisen, daß die Deutschen als Bürger eines souveränen Staates das Recht und die Pflicht haben, ganz allein die Verhältnisse in ihrem eigenen Land zu bestimmen.“

2008 hat Kuhlmann dann seiner revanchistischen Haltung in der Diskussion um ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ freien Lauf gelassen:
„Polen war und bleibt Täter! Um so unverständlicher ist der Eiertanz der Bundesregierung um dieses für jedes andere Volk selbstverständliche Zentrum. Hier eine Zustimmung Polens zu erwarten oder gar zu erbitten, ist eine unglaubliche Selbstdemütigung. Hier kann der noch nicht total umerzogene Deutsche nur Verachtung für seine eigene Regierung empfinden.“

2011 schlug Kuhlmann in diesem Zusammenhang auch antisemitische Töne an:
„Gegen alle politische Korrektheit kann ich dem Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland kein Recht zubilligen, darüber mitentscheiden zu wollen, ob Deutschland seinen aus der Heimat vertriebenen Landsleuten einen Gedenktag widmet. Auch Polen hat da gar nichts mitzubestimmen!“

2009 versuchte Kuhlmann gar, das Deutsche Reich von der Schuld am Zweiten Weltkrieg freizusprechen:
„Warum also mündete der deutsche Angriff auf Polen in den Zweiten Weltkrieg? Weil Großbritannien und Frankreich ihre Weltmachtrolle in Gefahr sahen und sich mit dem Vorspiel der Ereignisse um Danzig die Gelegenheit bot, den Konkurrenten Deutschland in die Schranken zu weisen.“

Diese Aufreihung ließe sich um etliche Beispiele fortsetzen, die das gesamte Themenspektrum der extremen Rechten umfassen.

Nach Medienberichten hetzte Kuhlmann erwartungsgemäß auch in seiner Rede im Gemeindehaus der Neustädter Marienkirche gegen Muslime und den Islam.

Ein breites Bündnis hatte bereits im Vorfeld der Veranstaltung darauf aufmerksam gemacht, dass es den Studentenverbindungen und ihren Altherrenschaften mit dem „Bismarck-Kommers“ einzig darum geht, antidemokratische Positionen in die Öffentlichkeit zu tragen. Mit dem diesjährigen Festredner wurde diese Prognose eindrucksvoll belegt.

Inbegriff für die „rohe Bürgerlichkeit“

Der renommierte Bielefelder Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer hat kürzlich im Rahmen der Verleihung des Göttinger Friedenspreises auf die Bedrohung durch Diskriminierungen aus vermeintlich bürgerlichen Positionen heraus hingewiesen: „Die ‚rohe Bürgerlichkeit‘ kommt versteckt daher und hat enormen Einfluss auf das öffentliche Klima. Sie findet ihren Ausdruck in einem Jargon der Verachtung gegenüber schwachen Gruppen und der rigorosen Verteidigung bzw. Einforderung einiger Etabliertenvorrechte im Duktus der Überlegenheit.“

Die Studentenverbindungen erfüllen diese Kriterien bürgerlicher Gewalt in besonderem Maße. Ohne selbst in als extrem rechts geltenden Kreisen tätig zu sein, zeichnen sie sich immer wieder aufs Neue – im Alltag wie zu besonderen Anlässen – durch menschenverachtende Strukturen und Positionen aus. Neben der nun aktuell in Bielefeld zu Tage getretenen Fremden- und Islamfeindlichkeit gilt das gleichermaßen für die Frauenfeindlichkeit, den Sozialdarwinismus und einen völkischen Nationalismus als einende Einstellungsmuster.

Sich wie am 09.03.2012 in Bielefeld geschehen, auf einen in neofaschistischen Kreisen reputierten Redner zu stützen, ist für den mühsam aufrecht erhaltenen bürgerlichen Anstrich der Studentenverbindungen nicht eben schlau, zeugt aber auch von einem enormen Selbstbewusstsein, von wichtigen Teilen der Öffentlichkeit weiterhin gefördert und gedeckt zu werden.

Bedenkliche Unterstützung von vielen Seiten

Es bleibt für uns weiterhin unfassbar, dass der „Bismarck-Kommers“ mitsamt der xenophoben Hetzrede des Karl-Heinz Kuhlmann in den Räumen einer als liberal geltenden Kirchengemeinde stattfinden konnte. Nach zunächst fruchtbar erscheinenden Gesprächen hat sich der verantwortliche Pfarrer Alfred Menzel leider der weiteren inhaltlichen Auseinandersetzung entzogen. Die Gemeindeleitung teilte schließlich mit, als Vermieterin sei die Neustädter Mariengemeinde „nicht mit den Inhalten, Geselligkeitsformen sowie Zielen des Veranstalters des Kommerses zu identifizieren“.

Dieser kuriosen Auffassung widersprechen wir auf das Entschiedenste. Erst durch die Anmietung öffentlicher Räume erhalten die Studentenverbindungen die Gelegenheit, ihre antidemokratischen Positionen wirksam in die Öffentlichkeit zu tragen. Alle Vermieter von Räumen an diese Gruppen – ob in der Vergangenheit, aktuell oder in Zukunft – machen sich so mitverantwortlich für das Geschehen.

Als entscheidendes Kriterium, die Vermietung der Räume nicht rückgängig zu machen, hat Pfarrer Alfred Menzel die Aussage des „Staatsschutz“ bei der Bielefelder Polizei herangezogen, der Festredner Kuhlmann sei „verfassungsmäßig nicht bedenklich“. Wo fängt für diesen „Staatsschutz“ eine verfassungsmäßige Bedenklichkeit an, wenn nicht bei einer Person, die zumindest drei neofaschistischen Organisationen nahesteht bzw. angehört?

Doch es sollte – nicht erst seit den Enthüllungen um die Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ – für gesellschaftlich interessierte und engagierte Menschen hinlänglich bekannt sein, dass von den zuständigen staatlichen Behörden keine Kompetenz gegen die extreme Rechte zu erwarten ist.

Zu den Unterstützern, die sich an der Verbreitung der korporierten Positionen mitverantwortlich machen, gehören auch diejenigen Personen, die eine Veranstaltung wie den „Bismarck-Kommers“ durch ihre Teilnahme aufwerten. Hier ist in diesem Jahr insbesondere der Bielefelder Bürgermeister Detlef Helling (CDU) zu nennen. Im Gegensatz zu Oberbürgermeister Clausen, der mit dem berechtigten Verweis auf den fremdenfeindlichen Charakter des Festredners die Einladung ausgeschlagen hatte, verbrachte Helling einen geselligen Abend auch mit seinen korporierten Parteifreunden wie dem Brackweder Bezirksabgeordneten Herbert Braß – um anschließend inmitten der Alten Herren für ein Pressefoto zu posieren.

Entschiedener Widerstand gegen den „Bismarck-Kommers“ bleibt bitter nötig

Es ist mehr als deutlich geworden, dass der halbherzige Ausschluss der offen neonazistischen „Burschenschaft Normannia-Nibelungen“ von der Veranstaltung – und auch das nur auf Wunsch des Vermieters der Räumlichkeiten – nicht über die im Korporationswesen weit verbreiteten Gesinnungen hinwegtäuschen kann.

Ebenso deutlich ist in diesem Jahr geworden, dass der Versuch der Studentenverbindungen, ihren Einfluss in die Mitte der Gesellschaft auszubauen, immer noch teilweise von Erfolg gekrönt ist.

Wir sehen daher die dringende Notwendigkeit, uns in den kommenden Jahren wieder in stärkerem und entschiedenerem Maße gegen die Studentenverbindungen und ihr Aushängeschild – den jährlichen „Bismarck-Kommers“ zu wenden.

In Bielefeld ist kein Platz für Ausgrenzung und Menschenverachtung!

Quelle: bismarck.blogsport.de